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Zertifizierung und die Folgen
Unsere Kinik wurde zertifiziert, nach ISO 9001ff. Der Sinn erschließt sich den wenigsten. Es geht wohl nur um die Außenwirkung, damit suggeriert wird, man sei besonders gut organisiert und zuverlässig. Daran, wie das ganze abläuft, läßt sich jedoch der Unsinn solcher Aktionen erkennen. Einige Wochen vor der Zertifizierung wird alles geputzt, aufgeräumt, Kaffeemaschinen mit nach Hause genommen. Ab sofort ist es nicht mehr erlaubt, Patientenlisten, schon gar keine mit Diagnosen darauf, als Arzt oder Schwester mit sich herumzutragen. Aus Datenschutzgründen. Ob der Arzt sich jetzt seine 30 oder auch mehr Patienten merken kann das ist egal. Als würde uns Ärzten ständig die Patientenliste aus der Tasche fallen und jeder ganz scharf auf die Diagnosen von anderen Patienten sein! In den Besprechungen weiß man dann nicht immer, ob der eine oder andere Patient bei einem auf der Station ist, besonders nach einem Wochenende, wenn man noch keine Visite gemacht hat. Dann wird so getan, als würde man sich das alles mit einem Mal lesen merken können. Hier schadet die Hierarchie, sonst könnte man das schnell aufklären. Aber die Chefs reagieren auf Kritik häufig mit Repressionen und Schikanen. Das haben Kollegen in meinem Haus in ähnlichen Situationen bereits erlebt. Welch Armutszeugnis für eine Demokratie! Einige Wochen nach der Zertifizierung schleicht sich wieder alles ein, der nächste Überprüfungstermin ist ja erst ein Jahr später, wenn dann wieder eine unnatürliche Situation bewertet werden soll, so wie es das ganze Jahr über nicht ist und unnütze Kriterien gemessen werden, die fernab jeglicher Realität sind. Die Kaffeemaschine wurde auch schon wieder angefordert. Nur das Verbot der Patientenlisten bleibt weiter bestehen.
Autor: Sunny Boy
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