W E R B U N G
 zum Podcast

"Was guckst Du?" Vom Akuthaus in die Reha


Erste Tage in der Reha-Klinik, Wechsel aus einem Akutkrankenhaus. Doch eine recht kräftige Umstellung. Beginn auf der orthopädischen Station. Die Kurvenwagen in unorthopädischer Höhe gebaut, dass man beim Schieben krumm gehen muß und Gefahr läuft Rückenschmerzen zu bekommen. Typische Assistenzarzthaltung, viele Chefs finden's gut so, immer buckeln. Am zweiten Tag dann erfahren, dass ich ab dem vierten Tag alle 50 Patienten betreuen soll, Namenslisten mitzuführen ist nicht erlaubt, Computer zum Nachlesen gibt es nicht. Bei einmaliger Erwähnung soll man sich alles merken. Entsprechend detaillierte Nachfragen zu Patienten, die man kaum kennt, folgen. Kurvenführung löchrig, teilweise falsch oder veraltet. Medikamentenblätter existieren nicht, man muss sich die aktuelle Medikation aus den Anordnungsbögen und der Medikation bei Aufnahme zusammensuchen. Sehr unpraktisch bei der Chefvisite, bei der man dem Chef hinterherrennt und nebenbei noch dokumentieren muß. Schwestern, die bei der Visite mitgehen, gibt es nicht. Pro Station existiert genau eine, von der Pflegestation einmal abgesehen, wo es ein paar mehr sind. Die hat einfach keine Zeit dafür.
Am dritten Tag dann zwischen Verwaltungskram endlich mal zum Mittagessen gekommen. Das Essen hat im Hause einen guten Ruf. Ich wollte den Schafskäse bestellen, bekomme aber die Nudeln. Offenbar einen kurzen Augenblick etwas verwundert geblickt. "Was guckst Du?", herrscht mich der Mitbürger mit Migrationshintergrund an, "is' Dir nich' genug, oder was?" In der alten Klinik immer mit einem Lächeln empfangen worden, auch hieran muß man sich also gewöhnen.
Schön ist es, bei der Morgenbesprechung, die die einzige des Tages ist, doch recht häufig zu hören: "Der Dienst war ruhig." So kann man eine Rufbereitschaft aushalten. Am Wochenende muß man dann jeweils zur Sprechstunde antreten und danach gegebenenfalls noch regulär einbestellte Patienten aufnehmen. Das ist machbar. Was nervt ist die viele Verwaltung. Gutachten für die Rentenversicherer ohne Ende - und die brauchen Zeit. Bei Fristüberschreitung von 10 Tagen nach Entlassung kann man auf Schadensersatz verklagt werden. Das bringt ein wenig Stress mit sich, vor allem, wenn man noch nicht weiß wie es geht, aber schon die volle Verantwortung hat. Nach knapp zwei Jahren Erfahrung in der Inneren jetzt partiell wieder wie ein Anfänger. Das ist das Schicksal von jedem, der sich um eine breitangelegte Allgemeinmedizin-Weiterbildung auch außerhalb der Inneren bemüht. Hier ist dringend eine Verbundweiterbildung notwendig, auch, damit man nicht ständig in der Probezeit ist und das eigene Engagement bestraft wird.


Autor: Dr. Großes Rad