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von Fehldiagnosen und Nächten in der Klinik
Es ist nicht so einfach, einen Anfang zu finden...
Über 30 Jahre hinweg lautete die ärztliche Diagnose "Vegetative Dystonie". ES bedurfte keinerlei Nachforschungen oder Untersuchungen. ES waren die "Lebensumstände" und dagegen gab es Psychopharmaka. Und, obwohl diese bei mir im Ausguss oder der Toilette landeten, verschwanden die Symptome nach Tagen, manchmal auch Wochen von allein. Nicht so im Sommer 2001. Mit Tavor und einem Abwinken verließ ich die Hausarztpraxis; nur auf eigenen Wunsch bekam ich die Überweisung zum Neurologen, der lediglich einen "Schreibkrampf" und "Angstzustände" diagnostizierte...
Nach 6-wöchiger Odysee und 2 (selbst erkämpften!) Krankenhausaufenthalten fiel die Diagnose: Multiple Sklerose.
30 Jahre - mit Lähmungserscheinungen; Sensibilitätsstörungen; Sehnerventzündungen und anderen lästigen Nebenerscheinungen...30 Jahre ärztliche Fehldiagnosen und Erniedrigungen; 30 Jahre, in denen ich stark genug war, dagegen anzukämpfen. Ich werde die nächsten 30 Jahre auch überwinden, ohne regelmäßig 10 Euro Praxisgebühr (für Unfähigkeit?!) zu zahlen; ohne Medikamente zu schlucken, die nur das Symptom, nicht aber die Ursache bekämpfen...
So - nun habe ich groooße Angst, den "Machern" dieser wunderbaren Seite auf die Füße getreten zu sein. Aber - ihr wolltet die Wahrheit hören/lesen.
Wichtiger, als alle Lehrbücher (oder geschriebenen Arztbriefe ;-) wäre, das Gesundheitssystem zu stürzen.
Es ist ein Unding, wenn Ärzte sich mit dem Tippen von Krankenberichten beschäftigen müssen und zeitgleich eine Sekretärin wegen Arbeitslosigkeit krank wird. Sie wird auch nicht wieder gesund! Man hat ihr die Arbeit genommen und der Hausarzt hat weder die Zeit, noch die Möglichkeit ihre Krankheit zu kurieren. Im Gegenteil, wenn der Patientin das Dilemma bewusst wird, wird sie für die 10 Euro Praxisgebühr lieber Schokolade kaufen, um ihren Serotoninhaushalt wenigstens im Gleichgewicht zu halten ;-)
Bevor ich mich jetzt noch weiter verzettle, ein kleiner Auszug von meiner Homepage:
Patientenaufstand
Hausarzt nannte man früher den Arzt, der ins Haus kam. Der die Familiengeschichte kannte, oftmals drei Generationen betreute. Dem man noch vor Pfarrer oder Friseur kleine Geheimnisse anvertraute. Er wusste einfach, welche Art Kopfschmerz du hattest; er sah, dass sich ein Leberfleck veränderte; kannte deinen Pulsschlag und fühlte am Händedruck Seelenschmerz. Man fühlte sich
wohl, geborgen in seiner Obhut. Mitunter eventuell einer von sicher vielen Gründen, die menschliche Seele gesund zu halten. Nur selten waren Termine uhrzeitgebunden, niemals wurde von Geld geredet und oft war man geheilt, noch bevor die Praxistür zuschlug. Dass niemand unsterblich ist, selten ein ganzes Jahrhundert erlebte, nahm man in Kauf; war es doch das Natürlichste der Welt.
Die Zeiten haben sich geändert - aber unnatürlich.
Längst ist der Arzt kein "Hausarzt" mehr. Bevor er die Hand drückt, muss er sie aufhalten und spürt nicht selten, schon vor der eigentlichen Behandlung, den Seelenschmerz eines 10 €-Verlustes. Ein kurzer Blick zur Uhr - 15 Minuten; das Wartezimmer ist voll; ein abgestürzter PC - was wurde beim letzten Mal behandelt - welches Bein - oder war`s der Kopf? Ein bewährtes Medikament muss durch ein kostengünstigeres ersetzt werden! Wie - warum? Entweder Ja oder selbst zahlen! Erneut der Blick zur Uhr - Studenten warten auf seine Vorlesung....
Sie hatte keinen "Hausarzt" gesucht, die Erfahrungen der Vergangenheit sollten sich mit nichts und niemandem wiederholen. Aber - ein in der Klinik verordnetes Medikament bedurfte ärztlicher Verschreibung. Gesetzliche Krankenversicherung und monatliche Beitragszahlung reichten nicht aus, um die ambulante Sprechstunde der Neurologischen Klinik und somit den Arzt ihres Vertrauens zu
konsultieren. Die neurologische Diagnose war gestellt. Gesucht wurde lediglich ein Praktiker, der die Empfehlungen des Neurologen befolgte. Das Erreichen der Praxis musste mühelos sein. Oftmals wäre die Autofahrt nicht nur für die Betroffene, auch für andere Verkehrsteilnehmer unzumutbar. Ein triftiger Grund, den Arzt zu wählen, der auch zu Fuß gut erreichbar ist. Freundlich, von Sonnenlicht durchflutet machte die Praxis mit außerordentlich netten Sprechstundenhilfen einen tollen Eindruck. Groß, gutaussehend, ein Mann mittleren Alters, der seine Patienten mit kameradschaftlicher Begrüßung im Wartezimmer abholt - das kannte sie nicht. Beim "alten" Hausarzt stand man in einer Schlange, oftmals bis zur Fahrstuhltür im Treppenhaus.
Gesprächsstoff gab es wenig, sie wollte ihr Rezept und bekam es - zwei Jahre - anstandslos. Versuchtes, eigenmächtiges Absetzen wurde mit den Worten "das klappt nicht!" belächelt - bis die neue Medikamentenverordnung ihre Versuche in Angriff nahm. Gerade jetzt war alles so schwarz; gerade jetzt hatte sie geritzt; gerade jetzt hatte sie Mord- und Selbstmordgedanken; gerade jetzt hatte sie den Rasierer benutzt, die langen Haare - das letzte "Frau-sein" geopfert....
"Mensch, Mädchen sieht das toll aus - Superhaarschnitt -steht dir richtig gut!" und - das Rezept. Der Medikamentenname irritierte. Sie wollte nichts Neues, keine Versuche machen. "Ist das gleiche drin - nur ein anderer Name", versuchte der Arzt zu beschwichtigen. Die Frau verstand die Welt nicht mehr! EINMAL im Quartal benötigte sie EIN Rezept. Nach vielen Fehldiagnosen, nach Mengen von überflüssig verschriebenen Medikamenten, nach jahrelanger Gesundheitswesen-Abstinenz endlich eine Verordnung, die das Dasein erleichterte.....
Sie bekam ihre Tabletten. Ein kleiner Aufkleber "bitte ..... aushändigen" bereicherte das Rezept. Die zu zahlende Differenz war tragbar - noch!
Mühsam, aber erfolgreich begann sie die entwürdigende Bettelei hinauszuschieben. Die 100-tägige Ration wurde halbiert und des Öfteren ein katastrophales "Vergessen" eingeschoben.
Neun Monate später: Gleiche Frau - gleicher Haarschnitt - gleicher Rezeptwunsch. "Mensch, Mädchen! Was hast du mit den Haaren gemacht! Wie kann man sich nur so verunstalten - da ist wohl einiges im Argen!? Das Rezept? Greift zum Schrank und hält ihr ein anderes Medikament vor die Nase: "Nimm das - das gibt`s umsonst!" Sie bekam ihr Rezept - zu einem nicht akzeptablen Selbstkostenpreis! Akzeptabel war die Erfahrung: Es geht auch ohne euch - bleibt abzuwarten, wie weit kommt Ihr - ohne uns!
Friede sei mit uns - und den Gesetzen...
Samstag, Sonntag, Montag .... Nachtdienste in der Tele- fonzentrale eines Krankenhauses. Meist sind die Nächte ruhig - ein willkommener Ausgleich zu einem eher unruhigen Privatleben. Solange man der Sprache mächtig ist, das Telefon bedienen kann und Patienten freundlich begegnet, ist die Arbeit selbst mit diversen körperlichen Wehwehchen zu meistern. Es sei denn - Mitarbeiter legen es darauf an, Unfrieden zu stiften.
Vielleicht hätte sie daheim bleiben sollen; vielleicht ihren
Arbeitsplatz verriegeln; vielleicht darauf hinweisen sollen: "Mir geht`s nich gut - geh lieber Heim!" Versäumnisse sind selten rückgängig zu machen! Sie saß (in desolatem Zustand) an ihrem Arbeitsplatz. Hatte weder die Tür verriegelt, noch zu erkennen gegeben, dass das Ei alles andere als gelb war, als der Bereitschaftsdienst sich in die wohlverdiente Nachtruhe zurückziehen wollte.
Ein kleiner Plausch unter Bekannten; Wichtiges und Unwichtiges; Zuhören und Gehörtwerden; die Markenzeichen eines Dienstleistungsbetriebes....
Die Minuten verrannten. Längst hätte die Bereitschaft den Heimweg antreten können, längst ihr müdes Haupt ins Kissen drücken.... Ein Krankenwagen wurde angekündigt, doch die (zu Recht!) müden Füße verweigerten den Abmarsch. Erst das Klingeln des Telefons brachte, in Form eines schüttelnden Kopfes, Beweglichkeit ein. "Ich bin nicht mehr da!" flehten die Augen und beide Hände bewegten sich abwehrend hin und her.
Zwischen Maschine und Mensch, zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Pflichtbewusstsein und Menschlichkeit steht die Pförtnerin. Kaum fähig, den Telefonhörer zu halten - kaum fähig, einen Satz zu bilden. Sie erkennt die eigene Stimme nicht. Diese Stimme, die keinen Zweifel zulässt: "Die Bereitschaft ist hier!"
Zum Wohle des Patienten, der keine Ahnung davon hat, dass im Haus anwesende Mitarbeiter eine wesentlich geringere Vergütung bekommen, als die Gerufenen. Der keine Ahnung davon hat, welche Geschichten sich um seinen nächtlichen Unfall weben.
Zum Wohle des Pförtner-Gewissens, welches sich auf Recht und Gesetz besinnt um (schweren Herzens) Kameradschaft und Menschlichkeit den Laufpass zu geben! Zum Wohle eines Bereitschaftdienstes - dessen Ankündigung, die Zentrale nicht mehr zu betreten, auf vollstes Verständnis trifft!
Autor: Gudrun
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