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Brief an eine Augenärztin
Sehr geehrte Frau Dr. A.,
mein Vater war heute zur jährlichen Kontrolle des Augenhintergrunds wegen seines Diabetes mellitus in Ihrer Praxis. Er kam zu Ihnen, da er bei seinem bisherigen Augenarzt erst in 5 Monaten einen Termin bekommen hätte. Ganz zu Beginn wurde ihm die Messung des Augeninnendrucks für 20 Euro als so genannte Individuelle Gesundheitsleistung (IGEL) verkauft. In der Sprechstunde wurde er dann von Ihnen mit folgenden Worten begrüßt:
„Warum sind Sie nicht bei Ihrem bisherigen Augenarzt geblieben? Ich möchte keine neuen Patienten. Mit Kassenpatienten mache ich doch nur Minus. Gerade einmal durch die Augeninnendruckmessung kann ich meine laufenden Kosten für Sie decken“. Im Laufe der Untersuchung gaben Sie noch mehrere Kommentare von sich, die signalisierten, dass Ihnen mein Vater als Kassenpatient nicht willkommen ist. Die Befunde wurden ihm nur nach Nachfrage einsilbig mitgeteilt. Dazu habe ich als Hausarzt folgende Kommentare:
1) Die Patienten sind das schwächste Glied in der Kette unseres Gesundheitssystems und für ihr Selbstmitleid absolut der falsche Ansprechpartner. Mein Vater hat Zeit seines Lebens hohe Krankenkassenbeiträge gezahlt - derzeit 600 Euro im Monat - und ist an der Misere unseres Systems nicht schuld.
2) Der Verkauf sogenannter IGEL-Leistungen hat in deutschen Augenarztpraxen unschöne Formen angenommen, so dass wir Hausärzte inzwischen unseren Patienten raten müssen, bei Besuch der Praxen ihre Geldbeutel gut festzuhalten. Die Messung des Augeninnendrucks ist – wenn medizinisch notwendig – eine Kassenleistung und in der Pauschale, die Ihnen die Kassenärztliche Vereinigung (KV) jedes Quartal überweist, enthalten. Die jährliche Routinemessung des Augeninnendrucks beim Diabetiker ist medizinisch nicht notwendig, was sogar Ihre eigene ophtalmologische Fachgesellschaft in der „Leitlinie Glaukom“ schreibt: „Diabetes mellitus stellt entgegen einer weit verbreiteten Ansicht keinen gesicherten Risikofaktor für das primäre Offenwinkel-Glaukom dar“.
3) Ich bestreite nicht, dass die Bezahlung von uns Ärzten im KV-System unangemessen ist. Dennoch liegt das Einkommen von Augenärzten noch immer weit über dem Durchschnitt aller Akademiker. Außerdem steht es Ihnen jederzeit frei, dieses System zu verlassen und eine Privatpraxis zu eröffnen. Doch sollten Sie weiterhin als KV-Ärztin tätig sein, machen Sie bitte Ihre Arbeit anständig, ohne Patienten wie meinem Vater das Gefühl zu geben, Menschen zweiter Klasse zu sein.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. med. Marcus Schmidt
Autor: Marcus Schmidt
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