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Ulla Schmidts Dienstwagenaffäre: Wer hat Interesse daran?
Schon vor zwei Monaten war aus Kreisen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Bundespolitik kolportiert worden, Ulla Schmidt sei als Gesundheitsministerin in der neuen Regierung nicht mehr vorgesehen. Sie gilt als Einzelkämpferin in der Politik für die Hausarztverträge, die die Kassenärztlichen Vereinigungen schwächen und die Hausarztverbände stärken würden. Obwohl der Paragraph 73b des Sozialgesetzbuches die gesetzlichen Krankenkassen dazu verpflichtet hatte, bis zum 30. Juni 2009 Hausarztverträge abzuschließen, haben die Krankenkassen dies ignoriert. Aus der Politik sollen die Kassen hinter vorgehaltener Hand Rückendeckung bekommen haben, in dem signalisiert worden sei, dass der Paragraph 73b nach der Bundestagswahl im September gekippt werden würde und Ulla Schmidt bereits auf der Abschußliste stehe.
Mit diesem Vorwissen erscheint die Dienstwagenaffäre der Minsterin in einem anderen Licht. Heute ist in mehreren Tageszeitungen wie zum Beispiel der Welt zu lesen, dass der Kanzlerkandidat der SPD, Frank-Walter Steinmeier, sie nicht in seinem Kabinett vorsehe, solange die Vorwürfe nicht restlos aufgeklärt seien. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass 6 weitere Minister sich privat im Urlaub chauffieren ließen. Warum wird hier mit unterschiedlichem Maß gemessen? Es entsteht der Eindruck, dass Interessen dahinterstehen und dies ein willommener Anlaß schien, Frau Schmidt loszuwerden.
Was hieße das für die Hausarztmedizin, wenn Ulla Schmidt in dieser Situation abgesetzt wird? Es ist eine deutliche Schwächung des Arztes vor Ort zu befürchten zugunsten der Spezialisten, die als sogenannte Gebietsärzte den Überblick über den gesamten Menschen nicht haben können. Dafür sind sie nicht zu Fachärzten weitergebildet worden. Große Teile der Präventivmedizin werden von den Fachärzten für Allgemeinmedizin getragen, bei denen die Informationen der verschiedenen Fachrichtungen zusammen laufen sollen und sie den Menschen über im günstigen Fall viele Jahrzehnte betreuen. Eine weitere Schwächung der Hausarztmedizin würde den ohnehin gravierenden Hausärztemangel weiter verschärfen. Internationale Erfahrungen zeigen, dass ein Primärarztsystem mit gut weitergebildeten Hausärzten zu einer enormen Kostensenkung im Gesundheitssystem führt. In Deutschland gibt es laut einer Statistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) einen Überschuß an Spezialisten, die dadurch auch in den entscheidenden Gremien und Lobbys die Mehrheit haben. Hierbei geht es offensichtlich nicht um das Wohl des Patienten oder des Gesundheitswesens. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass das Geld auch weiterhin in den Spezialistentopf fließt.
Hier ist nun die Politik gefragt, dies zu regulieren, da die ärztliche Selbstverwaltung aufgrund des Dualismus Generalist-Spezialist dazu offensichtlich nicht in der Lage ist. Eine Möglichkeit wäre die Schaffung einer Hausärztekammer, eine andere eine staatliche Regelung der Allgemeinmedizin. Langfristig wird sicher die Weiterbildung zu den einzelnen Facharztrichtungen gesteuert werden müssen, damit wir hinterher die Anzahl an Spezialisten und Generalisten erhalten, die unser System bennötigt. Das sind wir den Patienten und damit uns allen schuldig.
Autor: Der Neue Hippokrates
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