In Ländern wie den Niederlanden oder Schweden genießen Allgemeinmediziner einen guten Ruf. Junge Ärzte müssen sich bemühen, einen Platz zur Weiterbildung zum Hausarzt zu bekommen. In Deutschland werden die Studierenden in Fächern außerhalb der Allgemeinmedizin bereits darauf getrimmt, dass die Allgemeinmedizin nur 2. Klasse sei. (...) Entsprechend schlecht ist ihr Ruf unter den Studenten, der nur durch die Institute für Allgemeinmedizin und ihre Veranstaltungen aufgewertet wird. In Deutschland müssen sich die Ärzte nicht direkt nach dem Studium für eine bestimmte Fachrichtung entscheiden, sondern können auch später noch das Fach wechseln. So beginnen viele Ärzte erst einmal mit Chirurgie, Innerer Medizin oder auch Psychiatrie. Vielen wird dann erst bewusst, welche Einschränkungen das Arbeiten im Krankenhaus bedeutet, welcher Verlust an Lebensqualität. Frauen fragen sich, wie sie als Krankenhausärztin Kinder bekommen und versorgen können, manch einer denkt, dass die Ansprüche und Anforderungen in einer Praxis geringer seien.
So entsteht ein umgekehrter Elite-Wettbewerb, dass häufig Negativ-Gründe zur Entscheidung für die Allgemeinmedizin führen. Nicht die besten, engagiertesten und hochmotivierten Ärzte wie in anderen Ländern wollen Hausärzte werden, obwohl es hier sicher auch löbliche Ausnahmen und Idealisten gibt. Vielmehr werden diejenigen aus systemimmanenten Gründen angezogen, die in anderen Arbeitsfeldern der Medizin nicht ihre Zukunft sehen. Verstärkt wird diese Tendenz durch Überlegungen, frustrierte Ärzte anderer Fachrichtung als Quereinsteiger zuzulassen und damit den „Hausarzt light“ zu schaffen, der nur eine Schmalspurweiterbildung genossen hat. Das erscheint auf den ersten Blick die einfachste Lösung, um das Nachwuchsproblem der Hausärzte zu lösen, führt aber in Wirklichkeit zur Entwertung der Fachärzte für Allgemeinmedizin. Doch gerade in der Primärversorgung durch hochqualifizierte Hausärzte könnten große Summen Geldes gespart werden. Die Patientenversorgung durch einen Hausarzt ist deutlich billiger als eine Versorgung durch Gebietsspezialisten in der Praxis oder gar in der Klinik.
Was wäre die Lösung? Eine Aufwertung der Allgemeinmedizin im Medizinstudium, eine exzellente Spezialisierung zum Facharzt für Allgemeinmedizin und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Verdienstmöglichkeiten würde die engagierten, überdurchschnittlich fähigen Köpfe anziehen und das Fach aufwerten. Hier gibt es bereits mehrere Modelle. So haben verschiedene Institute für Allgemeinmedizin, wie in Frankfurt am Main und Marburg bereits mit Untersuchungen zeigen können, dass ihre neustrukturierten Praktika die Studierenden für das Fach begeistern können. Auch kann seit einigen Jahren das Praktische Jahr, also das letzte Studienjahr, zu einem Drittel in der allgemeinmedizinischen Praxis absolviert werden. Dies müsste weiter ausgebaut und deutschlandweit etabliert werden. Verschiedene Aktivitäten zur Verbesserung der Weiterbildung in ganz Deutschland wurden häufig gegen die etablierten Strukturen der Landesärztekammern nicht selten als Privatinitiative gestartet. Am weitesten ist hier momentan die Initiative der Universität Heidelberg (
www.weiterbildung-allgemeinmedizin.de), im Rahmen der Jungen Allgemeinmedizin Deutschland (JADe,
www.jungeallgemeinmedizin.de) gibt es mehrere Ansätze zur Qualitätsverbesserung der Spezialisierungsphase für den Facharzt für Allgemeinmedizin.
Doch die Honoraraufwertung der Hausärzte und Ärzte allgemein wird momentan nicht sachlich geführt, wie die Berichterstattung der FAZ-Sonntagszeitung diese Woche wieder einmal eindrucksvoll zeige. Hier wird mit Prozentzahlen gespielt und mit allgemeinen Summen hantiert, die Praxisbudgets und Geld, das in Verwaltungsstrukturen von Kammern und Kassenärztlichen Vereinigungen versickert, gar nicht berücksichtigt. Es entsteht der Eindruck, dass die Ärzte sich goldene Nasen verdienen mit riesigen Summen Geld und hochprozentigen Zuwächsen immer noch nicht zufrieden sind. Dabei wird die Realität - mutmaßlich bewusst – falsch dargestellt und kaschiert, wie knapp an der Existenz mehrere Kollegen doch leben. So erhält ein Hausarzt in Hessen für jeden Patienten pro Quartal etwa 38 Euro, wobei die meisten Leistungen darin bereits enthalten sind, auch die Hausbesuche, die theoretisch zwar 15 Euro bringen. Doch ein Besuch eines 5-58 Jahre alten Patienten bringt dem Allgemeinmediziner etwa 31 Euro, 31 plus 15 wären 46 Euro, doch bei 38 ist bereits die Grenze, die nicht überschritten werden darf. Für den ersten Hausbesuch erhält der Hausarzt also 7 Euro, für die weiteren gar nichts mehr, ebensowenig darf er für die weiteren Konsultationen in der Praxis etwas berechnen. Junge Ärzte während der Spezialisierungsphase zum Hausarzt bekommen momentan in weiten Teilen Deutschlands nur 2040 Euro Bruttogehalt, wovon noch ärztespezifische Versichungen und Abgaben zu bezahlen sind, was sie in Nähe eines Gehalts auf Hartz-IV-Niveau bringt. Diese Mechanismen und Gehaltshöhen müssen für jeden Bürger transparent werden, Gehälter und Gewinne müssen von allen – Politikern, Funktionären, Ärzten in Praxen und Kliniken – auf den Tisch gelegt werden. Dann haben wir eine Chance, ein neues Vertrauen aufzubauen und zu verstehen, wo das Gesundheitssystem wirklich steht und wer profitiert und wer wirklich Not leidet und unterbezahlt ist. Dann können wir von der Basis her ein Gesundheitssystem aufbauen, das nachhaltige Verbesserungen bringt und mit dem alle glücklich sind.