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Das Ende der qualifizierten Hausarztmedizin
Schon unter den bisherigen Bedingungen will kaum noch ein junger Arzt in unserem Land Hausarzt werden. Ein sehr ungünstiges Verhältnis zwischen Arbeitsaufwand und Einkommen auf der einen und schlechten Weiterbildungsbedingungen auf der anderen Seite wirken abschreckend. Zudem wird der Facharzt für Allgemeinmedizin sowohl in Teilen der Bevölkerung als auch in Teilen der Ärzteschaft noch immer als Arztberuf zweiter Klasse angesehen. Dies ist ein Erbe aus dem alten Westdeutschland: dort durften sich Ärzte nach dem Studium ohne jede Weiterbildung gleich als Hausärzte (so genannte Praktische Ärzte) niederlassen. Einige dieser Kollegen haben sich aus eigenem Antrieb zu hervorragenden Hausärzten weitergebildet, doch andere machen bis heute eine grottenschlechte Medizin, was den Ruf des gesamten Fachs nach unten zieht. Seit über 10 Jahren ist aber eine mindestens 5jährige Weiterbildung Allgemeinmedizin nach dem Studium verpflichtend, die es in sich hat und die den Weiterbildungen anderer medizinischer Fächer in nichts nachsteht. Da die Hausärzte nicht aus eigenen Mitteln für unser komplettes Gehalt während der Weiterbildung aufkommen können, werden bis zu 2 Jahre der Weiterbildung durch ein Förderprogramm der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen mit 2040 Euro im Monat unterstützt.
Anstatt diese Weiterbildung attraktiver zu machen und die Arbeitsbedingungen junger Hausärztinnen und –ärzte zu verbessern (ich spreche hier nicht bloß von der Vergütung, sondern auch von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie) wird uns nun ein weiterer Stein in den Weg gelegt. Zum Erhalt der Fördergelder müssen wir uns künftig verpflichten, uns nach der Weiterbildung in eigener Praxis niederzulassen. Dies wird aus meiner Sicht der endgültige Todesstoß für die Weiterbildung Allgemeinmedizin sein, denn in keinem anderen Fach muss man solche Verpflichtungen eingehen. Zudem wird die Verpflichtung den modernen vielfältigen Arbeitsbedingungen als angestellter Arzt, im Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ), freiberuflich im Bereich Praxisvertretung und Notdienst etc. in keiner Weise gerecht. Natürlich kann ich die Geldgeber zunächst verstehen. Derzeit geht ein großer Teil der jungen Fachärzte für Allgemeinmedizin in andere Bereiche. Nicht etwa ins Ausland, wie in der Presse kolportiert wird, sondern in Reha- und Akutkliniken, zum Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), zur Rentenversicherungen etc. Dort winken gesicherte Angestelltenverhältnisse ohne unternehmerisches Risiko, die ihnen das bisherige System aus kleinen Feudalhöfen (ich meinte natürlich Praxen) nicht bieten kann.
Der Ausweg könnte sein, dass eine attraktive Weiterbildung mit breiten Rotationsmöglichkeiten durch alle für einen Hausarzt relevanten Fachgebiete und enger Anbindung an die Universitäten mit wöchentlichen Seminaren zum Thema Kommunikationstraining und evidenzbasierter Medizin geschaffen wird. Eine Weiterbildung also, die attraktiver ist als die in anderen Fächern. Dass man damit Erfolg haben kann, zeigen die Holländer, bei denen in allen Bereichen Ärztemangel herrscht außer in der Allgemeinmedizin. Zudem könnte man Ärztezentren in unterversorgten Bereichen entstehen lassen, die jungen Eltern Teilzeit- oder Vollzeitanstellungen anbieten, die ihnen sowohl zeitlich als auch finanziell den Aufbau und den Unterhalt einer Familie ermöglichen.
Doch all dies geschieht in unserem Land nicht. Lieber packt man die Peitsche aus (Niederlassungsverpflichtung zum Erhalt von Fördergeldern!) und senkt das Weiterbildungsniveau. Schon bald werden wir durch die Hintertür zum Praktischen Arzt zurückkehren. Ärzte, die ein paar Jahre in irgendeinem Bereich, egal ob Gynäkologie oder Pathologie, gearbeitet haben, werden dann per Seminar und einem Jahr Schnellweiterbildung in der Hausarztpraxis zum Facharzt für Allgemeinmedizin umgeschult. Anstatt die Besten eines Jahrgangs zur Allgemeinmedizin zu motivieren wird es dann wieder heißen: wer nichts wird, wird Wirt. Oder Hausarzt.
Der letzte mache bitte das Licht aus.
Autor: Dr. Heuteufel
Kommentare zu dieser News:
Datum: Fr 21 Aug 2009 12:07 |
Von: der Landarsch
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wenn's der Souverän (das Volk) so will...? Ansonsten könnte man ja wählen gehen und sich auch sonst politisch interssieren und engagieren! Aber bei unssit es ja viel üblicher, das in den Brunnen gefallene Kind zu betrauern, als den Brunnen abzusichern! |
Datum: Sa 22 Aug 2009 07:33 |
Von: Der neue Hippokrates
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Die Frage ist, ob der Souverän das so will. Ist das nicht mehr eine Gruppe in den Ministerien und Verbänden und Lobbyisten? Also mehr eine oligarchische Struktur? Das "Volk" weiß doch von diesen Vorgängen meist gar nichts und hält die Abschaffung des Hausarztes für gar nicht möglich, wie mehrere Gespräche zeigten. Erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, werden die meisten aufwachen, was das bedeutet. Wird es langfristig keine niedergelassenen, freiberuflichen Ärzte mehr geben, so wird das gesamte Gesundheitssystem in den Händen von Großkonzernen sein. Dann geht es wirklich nur noch um Profit. |
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