W E R B U N G
Brauchen wir Regresse in dieser Form?






Niedergelassene Ärzte haften mit ihrem Privatvermögen dafür, dass sie „wirtschaftlich“ arbeiten und nur wirklich notwendige Medikamente und Heilmittel verschreiben. Dabei gibt es eine Vielzahl an Regeln, welche Medikamente auf Kassenrezept aufgeschrieben werden dürfen und welche nicht. So sind bestimmte Kombinationen von sonst auf
(...) Kasse verschreibbaren Medikamenten plötzlich nicht mehr erstattungsfähig oder andere, wie Paracetamol, erst ab einer gewissen Packungsgröße, dann aber auch nur mit einer überzeugenden Begründung. Und dafür, dass Paracetamol dann verschreibungspflicht ist, kostet es gleich mal eine Gebühr von 8 Euro mehr. Andere Medikamente, wie Ibuprofen oder Diclofenac, sind erst ab einer bestimmten Stärke verschreibbar. Ibu 400 akut gibt es „frei“, also ohne Rezept, Ibu 400 ohne den Zusatz „akut“ nur auf Rezept und dann gleich erheblich teurer. Übrigens auch für den Patienten ist das teurer, denn 20 Tabletten Ibu 400 akut kosten heute 3 Euro 80, beim rezeptpflichtigen Ibu 400 für 10 Euro 90 zahlt der Patient, wenn er nicht befreit ist, eine Zuzahlung von 5 Euro pro Schachtel. Das nur als ein triviales Beispiel deutscher Regelkunst, durch die selbst Spezialisten auf diesem Gebiet kaum noch einen Durchblick haben.


Und dann gibt es ja auch noch das Arzneimittelbudget. Es bemisst sich am Schnitt der Medikamente, die ein Arzt desselben Fachgebietes verschreibt. Doch jetzt wird es tricky: Wie dieser Schnitt aussieht und wie ich ihn berechnen kann, das verrät die Kassenärztliche Vereinigung (KV) nicht. Und eine schnelle Rückmeldung gibt es auch nicht. Die Zeit, bis ich von einer Krankenkasse eine Regressforderung erhalte, wurde vor einiger Zeit von 5 auf 2 Jahre herabgesetzt. Das heißt aber immer noch, dass ich zwei Jahre in vollkommenem Ungewissen bin, ob alles, was ich gerade verschreibe, einen Regress zur Folge hat oder nicht. Da kann sich etwas ansammeln. Und: Ich muss im Regressfall die Unterlagen von zwei Jahren durcharbeiten und mich für jeden einzelnen Fall rechfertigen. Sonst drohen nicht selten Rückzahlungsforderungen von einigen zehntausend bis einigen hunderttausend Euro. Das kann die Pleite für eine Arztpraxis bedeuten.


Neulich kam ich ins Gespräch mit einem in Regressfragen und KV-Dingen sehr bewanderten Kollegen und fragte ihn, warum es die Zeitspanne von 2 Jahren gibt. „Die eingelösten Rezepte müssen erst einmal zur KV, dort werden sie gesammelt und dann eingescannt. Dann erhalten die jeweiligen Kassen die Rezepte. Das dauert halt seine Zeit.“ Warum das so kompliziert sein muss und nicht z.B. einfach über die Apothekensoftware direkt laufen kann, das habe ich nicht verstanden. Und diese Kontrollmechanismen mit horrenden Rückforderungen, die die Existenz bedrohen, die gibt es in anderen Ländern auch gar nicht. In Großbritannien, so erinnere ich mich an ein Gespräch von vor einigen Jahren, werde man relativ schnell von der Ärztevereinigung angerufen und gebeten, das eine oder andere Medikament weniger zu verschreiben oder ein wenig aufzupassen. Erst danach werde man mal zum Gespräch gebeten. Privathaftung? Nein, so etwas gebe es nicht.


Hat das ganze System? Ich denke ja. Mit Regressforderungen dieser Art kann die gesamte freiberuflich arbeitende Ärzteschaft mit ihren Praxen massiv eingeschüchtert und damit kontrolliert werden. Jemand, der Angst vor dem Bankrott hat, ist viel eher zu Zugeständnissen bereit. Es geht ja ums berufliche und private Überleben. Ein Leben kann mit Schulden von z.B. 600000 Euro zerstört werden. Ich bin mir sicher, dass es auch anders ginge. Doch haben Regierungsstellen offensichtlich Angst vor dem mündigen Bürger und spielen lieber die Ärzte gegeneinander aus: Divide et impera – teile und herrsche. Das wussten schon die alten Römer.


Autor: Empört-Euch