Kassenärztliche Vereinigung eine Interessenvertretung?
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung ist gerade massiv in der Kritik, weil sich der Vorstandsvorsitzende Andreas Köhler das Gehalt um 35% erhöht und drei Vorstandsmitglieder Übergangsgelder in Höhe von je 183 000 Euro kassiert haben, die für das Zurückkehren in den Beruf gedacht sind. Burkhard (...) Bratzke, Angelika Prehn und Uwe Kraffel sind aber für weitere 6 Jahre wiedergewählt worden. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hat sich eingeschaltet.
Die öffentliche Wahrnehmung ist nun, dass sich „die Ärzte“ die Taschen füllen. Dabei wird übersehen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) einen irreführenden Namen tragen. Letztlich sind sie nichts anderes als ein Teil der staatlichen Exekutive. Die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der 17 Landes-KVen haften mit ihrem Privatvermögen dafür, dass sie das Sozialgesetzbuch wortgetreu umsetzen. Der Handlungsspielraum ist in den meisten Punkten sehr gering. Zwar gibt es eine Vertreterversammlung der Ärzteparteien, wie den „Hausärzteverband“, „die Fachärzte“, „den Marburger Bund“, „die Ärztinnen“, „den Hartmannbund“ und weitere andere. Doch kann die Vertreterversammlung nur den Umgang mit den Gesetzen bestimmen und die Regelungen umsetzen, diese aber nicht verändern. Die KVen haben den Sicherstellungsauftrag, das heißt, sie müssen dafür sorgen, dass die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sichergestellt ist. Aber auch hier gibt es enge Vorgaben eines Bedarfsplans, den nicht sie festlegen.
Es ist falsch, von einer „Interessensvertretung der Kassenärzte“ zu sprechen, da die KVen aufgrund der gesetzlichen Vorgaben die Interessen der Ärzte gar nicht gegenüber der Politik durchsetzen können, sondern gezwungen sind, staatliche Vorgaben ohne Wenn und Aber umzusetzen. Gleichzeitig hat sich über die Jahrzehnte ein Sumpf an persönlichen Verbindungen im System der Kassenärztlichen Vereinigungen ergeben, so dass schon der Eindruck entstehen kann, einzelne Pöstchenträger handelten nicht für die Ärzteschaft, sondern für sich und ihre Amtskollegen, wie jetzt in der Kassenärztlichen Vereinigung um Köhler, Prehn, Bratzke, und Kraffel geschehen.
Der Unmut über das System der KV ist unter den Ärzten groß. Eine Interessensvertretung schützt den Einzelnen, hier ist meist das Gegenteil der Fall. Fallstricke und Intransparenzen gibt es zum Beispiel im Abrechnungs- und Verschreibungssystem viele. Wer einen Fehler macht wird frühestens 2 Jahre später darauf hingewiesen, wenn er die Fehler munter weiter gemacht hat. Es wird aber von den KVen nicht, wie praktisch allen anderen Ländern üblich, die Gespräch mit den Ärzten gesucht, sondern gleich der Staatsanwalt eingeschaltet. Ein existenzvernichtender Regress droht. Damit werden die Ärzte draußen in den Praxen gefügig gemacht, da es hier zu einem Kontrollverlust mit drastischen Folgen kommt.
Ein Sumpf an Interessensverflechtungen innerhalb des KV-Systems hat sich breit gemacht, in das Medizinrechtsanwälte, Praxisvermittler und viele Trittbrettfahrer eingebunden sind. „Wir haben gute Kontakte in die KV hinein“, brüstete sich neulich ein hochrangiger Mitarbeiter einer Steuerberatungs- und Abrechnungsfirma. Praxisvermittler verweisen an Anwälte, die sich auf Medizinrecht spezialisiert haben, die "Leute in der KV kennen, die für die Zulassung zuständig sind.“ Dem praktizierenden Arzt erscheint das System oft als willkürlich, unveränderbar, wie eine Übermacht, mit der man aufpassen muss. Daher ist die KV mitnichten „die Ärzte“ und auf keinen Fall eine Interessensvertretung. Das System, das schon vor Gründung der Bundesrepublik existierte, gehört grundlegend verändert und von korrupten Verhaltensweisen im und um das System herum entschlackt. Das könnte eine Aufgabe von Daniel Bahr sein, der hier vorbildlich interveniert hat. Ihm kann nur konsequentes Stehvermögen gewünscht werden.
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