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Vertrauensverlust im Gesundheitswesen
Wir haben ein Verständigungs- und Verständnisproblem in der Medizin. Krankenkassenmitarbeiter verstehen das Krankenhaus- und Praxispersonal nicht, die Krankenhausärzte misstrauen ihren niedergelassenen Kollegen, welche wiederum denken, dass die Ärzte in den Kliniken über die Probleme in den Praxen nicht Bescheid wissen. In Bezug auf die Kassenärztliche Vereinigung (KV) und das Gesundheitsministerium oder die Landesärztekammern sieht es nicht besser aus. Dies um nur einige Beispiele des riesigen Vertrauensverlustes im Gesundheitswesen zu nennen.
Woher kommt das ausgeprägte Misstrauen, das zu einer starken Kontrolle im Gesundheitssystem, zur Gründung des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), zu Kolloquien und exzessiven Überwachungen durch die KV geführt hat? Ist es möglich, dass hier aufgrund von fehlender Praxiskenntnis Mechanismen entstanden sind, die nicht nachhaltig helfen, sondern vor allem massiv Kosten verschlingen, zu Missstimmungen und Härten führen?
Im Krankenhaus ist es verpönt, nur aufgrund von Patientenunterlagen zu entscheiden, weil bekannt ist, dass es zu schweren Fehlentscheidungen kommen kann, wenn der Arzt den Patienten nicht gesehen hat. Doch genau dies geschieht, wenn Mitarbeiter der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen Entscheidungen treffen, ohne den Patienten zu Gesicht bekommen zu haben und uns Ärzten Vorschriften machen. Eine mögliche Lösung wäre, ein Pflichtpraktikum für jeden im Gesundheitswesen einzuführen, der in irgend einer Weise Entscheidungsgewalt hat. Das würde zutreffen für Mitarbeiter der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Vereinigungen, der Sozial- und Gesundheitsministerien und der Landesärztekammern. Eine Konfrontation mit der Wirklichkeit sollte dann regelmäßig alle paar Jahre wiederholt werden, um ein Problembewusstsein für die jeweils aktuelle Situation zu erhalten. So könnte ein Rückkopplungsmechanismus entstehen, der viele Kontrollen unnötig macht, neues Vertrauen durch persönlichen Kontakt aufbaut und hilft, Schwächen des Systems von der Basis her auszumerzen.
Auch ein besserer Austausch zwischen den niedergelassenen Ärzte mit den Klinikärzte wäre für eine verbesserte Kommunikation und ein Verständnis wichtig. Auf der einen Seite würde in den Praxen vermehrt die Therapie umgesetzt, die von den Krankhausärzten empfohlen wird. Auf der anderen Seite würde den Krankenhausärzten mehr bewusst werden, wie die Situation in der Praxis aussieht. Das könnte im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen geschehen, die zum Beispiel einmal im Quartal stattfinden. Um hier eine Motivation zu schaffen, sollten diese Zeiten auf beiden Seiten als Arbeitszeit gelten und entsprechend entlohnt bzw. abgerechnet werden dürfen.
Was wir brauchen ist eine Kultur der gewaltfreien Kommunikation und der Kooperation. Gegenseitiges Vertrauen schafft nicht nur eine bessere Arbeitsatmosphäre, sondern führt auch zu besserer Leistung. Reibungsverluste durch großteils nicht ausgesprochene Konflikte könnten ersetzt werden durch Austausch auf gleicher Augenhöhe. Dann haben wir eine Möglichkeit, im Gesundheitssystem eine Kultur des Miteinanders zu erreichen und uns nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. Dann, und nur dann, haben wir eine Chance den Vertrauensverlust im Gesundheitswesen zu überwinden.
Autor: Die Redaktion
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