Aus der Sicht einer Ausländerin
Als ich vor 8 Jahren nach Deutschland zog und bald "zum Arzt" gehen musste, machte ich eine für mich erstaunliche Erfahrung. Mein Mann und ich mussten zufällig zur gleichen Zeit zu einem Dermatologen. Wir riefen den gleichen Facharzt am selben Vormittag an. Wir wurden beide zuerst gefragt, ob wir zum ersten Mal bei dieser Praxis waren, was wir beide positiv beantworteten. Dann kam die Frage "Sind Sie gesetzlich oder privat versichert?" Mein Mann war damals privat versichert (mit einem Studententarif) und ich als Angestellte gesetzlich versichert. Er bekam einen Termin für den folgenden Tag um 9 Uhr... und ich ein Monat später!!!
Ich konnte es nicht fassen. Und dabei war mein Beitrag zur Krankenversicherung doppelt oder dreifach so hoch wie seiner.
Als ich mich vier Wochen später zum genannten Termin begab, beobachtete ich, dass es zwei unterschiedliche Wartezimmer gab, was mich in dem Moment nur wunderte. Als ich ins Behandlungszimmer hineingebeten wurde, saß der Arzt schon hinter seinem Computer. Er begrüßte mich, fragte mich sofort nach meinen Beschwerden, worauf ich antwortete. Er hörte sich meine Beschreibung kurz an und dann erklärte mir seine Diagnose. Die Sprechstundehilfe würde mir draußen die Verschreibungen geben und gute Besserung. Das Ganze dauerte nicht länger als zehn Minuten. Und der Arzt tippte die ganze Zeit auf seiner Tastatur. Eine körperliche Untersuchung gab es nicht.
Als ich heraus kam, dachte ich "Gott, so sind halt deutsche Ärzte" und dass dieses gerade ein gutes Beispiel zur Verstärkung des Vorurteils war, "Deutsche seien effektiv, effizient und gefühllos auf der Arbeit".
Jetzt, nach vielen Jahren, verstehe ich warum viele Landsleute, die in Deutschland seit vielen Jahren wohnen und der deutschen Sprache mächtig sind, lieber den Heimatbesuch nutzen, um sich dort richtig "durchchecken" zu lassen, und bereit sind, trotz teurer Krankenkassenbeiträge in Deutschland, diese Arztbesuche aus der eigenen Tasche zu zahlen.
Autor: intuitum
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