W E R B U N G
 zum Podcast

Bereitschaftsdienst für Bäcker und Metzger!


Kürzlich ist es in Brüssel entschieden worden: Die Bereitschaftsdienste können vom Standpunkt der Europäischen Union her in aktive und inaktive Phasen unterteilt werden. Gerade erst vier Jahre her ist es, dass das deutsche Arbeitszeitgesetz die Arbeitszeiten während der Bereitschaftsdienste überhaupt als Arbeitszeit anerkennt. Seitdem gilt in Deutschland: „Bereitschaftszeit ist Arbeitszeit“. Gerne wird hiermit populistisch gespielt, die Ärzte würden in den Bereitschaftsdiensten ja nur in Bereitschaft sein und dann alles bezahlt bekommen wollen. Das ginge nicht. So neulich wieder einmal in einer Talkshow. Doch hier werden zwei Dinge grundsätzlich verwechselt: Ohnehin werden die Bereitschaftsdienste in verschiedene Stufen eingeteilt, je nach Arbeitsintensität in jedem speziellen Haus in drei bis vier Stufen, je nach Tarifvertrag oder Vereinbarung. Das heißt, es werden ohnehin von beispielsweise 24 Stunden nur 30 bis 90% bezahlt. Dass die Bereitschaftszeit Arbeitszeit ist bedeutet etwas anderes: Im 24-Wochen-Durchschnitt darf eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden Arbeit pro Woche nicht überschritten werden, außer, es wird in einer sogenannten „opt out“-Regelung anders festgelegt. Und auch hier gibt es Höchstgrenzen, die einzuhalten sind.



Aktive und inaktive Zeiten gibt es auch in anderen Berufen. Deshalb schlagen wir vor, den Kassierern im Supermarkt, den Bäckern und Metzgern an der Theke, den Angestellten in Post und Schreibwarenläden nur die Zeit als Arbeitszeit anzurechnen, die sie auch wirklich mit Kundenkontakt arbeiten. Je nach Arbeitsintensität sollte ohnehin dann nur ein Bruchteil der gesamten Arbeitszeit bezahlt werden, wie bei Ärzten üblich, die einen Bereitschaftsdienst ableisten. Es versteht sich von selbst, dass dennoch die vereinbarte Arbeitszeit von zum Beispiel 40 Stunden pro Woche eingehalten werden muss und sich der Aufenthalt am Arbeitsplatz automatisch bei wenig Kundenkontakt um die inaktiven Phasen verlängert. Aber das macht ja nichts, in den Phasen dazwischen können sich die Angestellten ja ausruhen und haben dann mehr Kraft für die kürzere Zeit, die sie dann mit ihrer Familie verbringen können. Und für uns als Kunden hat das einen großen Vorteil: Die Geschäfte sind dann viel länger geöffnet, und ich kann auch nachts um 1 noch Brötchen vom Bäcker, ein Schnitzel vom Metzger oder einen Kugelschreiber im Schreibwarenladen kaufen. Nachts ist ja viel weniger los, und ich muss dann nicht so lange warten.Und die Bezahlung bleibt für die Arbeitgeber die gleiche, so dass keine neuen Kosten entstehen.



Das sind genau die Sprüche, die wir Ärzte uns regelmäßig anhören müssen. In unseren sogenannten inaktiven Phasen der Bereitschaftsdienste holen wir liegengebliebene Arbeit nach, bereiten Arbeit für die Folgetage vor, lesen Fachzeitschriften oder Bücher, falls überhaupt Zeit dafür ist. Und das ist selten genug der Fall. Manchmal erlauben wir uns sogar den Luxus während dieser 24-Stunden zu essen und zu trinken. Klingelt das Telefon in dieser Zeit müssen wir selbstverständlich drangehen und sofort los, falls wir gebraucht werden. In den Akuthäusern ist das der Regelfall. Wer behauptet, dass man erholt ist, wenn man jede Stunde nachts geweckt worden ist und sei es nur um einige Fragen zu beantworten, aber auch, um nachts um 3 Uhr Patienten aufzunehmen und zu versorgen, die in die Notaufnahme kommen, der hat selbst noch keinen Bereitschaftsdienst gemacht. Und es gibt sie, die Patienten, die um 2 Uhr kommen, weil sie von einer Schnake gestochen worden sind, und es furchtbar juckt, wie auch die Patientinnen, die nach wilden Sex mit Schmerzen in der Scheide den Zusammenhang mit ihren Unterbauchschmerzen nicht verstehen. Das wäre ja alles auch gar kein Problem und gehört zum Leben dazu. Das machen wir gerne und schmunzeln so manches mal, wenn für uns so Offensichtliches den Patienten noch nicht klar war. Dafür haben wir das gelernt, beinahe sieben Jahre studiert, oft auch promoviert und schlagen uns in den Krankenhäusern die Nächte und Wochenenden um die Ohren. Doch wir wollen dafür auch die entsprechende finanzielle Anerkennung und Gleichstellung mit anderen Berufsgruppen, in denen aktive und inaktive Zeit nicht so formell getrennt wird. Sonst sollten wir in allen anderen Berufen gemäß dem Gleichheitsgrundsatz ebenfalls Bereitschaftszeiten und Zeiten der Arbeit und der Zeiten zwischendurch einführen. Also: Das jetzige deutsche Arbeitszeitgesetz „Bereitschaftszeit ist Arbeitszeit“ muss so bleiben wie es ist.






Autor: Der Neue Hippokrates