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Arbeiten als Honorararzt


Seit einigen Monaten arbeite ich als Honorararzt. Ich bin also weder angestellt in einem Krankenhaus, einer Rehaklinik oder einer Praxis. Noch besitze ich eine eigene Arztpraxis. Ich verkaufe meine Arbeitskraft, biete mich über die Notfalldienstzentralen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), Krankenhäuser, Kliniken und Praxen als Honorarkraft (...) an. Angebote gibt es deutschlandweit genug, wenn man flexibel ist. Unterkunft, Essen und Berufshaftpflichtversicherung sind bei den meisten Angeboten, außer den Notdiensten, mit dabei.

Warum habe ich mich für diesen Schritt entschieden? Nach einer langen Spezialisierungsphase zum Facharzt möchte ich mein eigener Chef sein, selbst entscheiden, wann und wie viel ich arbeite und was ich tue. Als niedergelassener Arzt bin ich – das habe ich während meiner Weiterbildung zum Facharzt mehrfach erlebt – von der Kassenärztlichen Vereinigung abhängig. Arbeite ich zu lange und überschreite damit mein Zeitbudget, werde ich genauso bestraft wie wenn ich mein Medikamentenbudget überziehe. Die Kassenärztlichen Vereinigungen gehören zur Exekutive des Staates und informieren schnell und oft ohne Rücksprache mit dem Arzt die Staatsanwaltschaft, die dann ein Strafverfahren wegen Betruges einleitet. Dies kann zum Beispiel bei der Überschreitung des Zeitbudgets passieren. Medikamentenregresse in Höhe von einigen hunderttausend Euro sind keine Seltenheit. Hier fordern die Kassen Geld für angeblich ungerechtfertigterweise verschriebene Medikamente oder Heilmittel vom Arzt zurück. Der Arzt muss sich einen Fachanwalt nehmen, der etwa 400 Euro pro Stunden kostet, seine Unterlagen in seiner Freizeit durchforsten und die Vorwürfe entkräften. Sonst ist er oft pleite. Zusätzlich ist der Arzt oft in einem Hamsterrad mit hohen Patientenkontaktzahlen und kurzen Patientenkontaktzeiten von wenigen Minuten gefangen, um überleben zu können. Auf dieses System habe ich keine Lust.

Die ersten Notdienste in verschiedenen Bereitschaftsdienstzentralen waren hart. Wohlgemerkt arbeite ich dort als der Vertreter der Hausärzte und bin NotDIENSTarzt und kein Notarzt. Das wird in der Bevölkerung, aber auch von Kollegen, gerne verwechselt. Und doch behandelte ich hier akute Fälle vom Herzinfarkt über Atemnot, epileptischen Anfall bis hin zur Panikattacke mit Erstickungsangst am laufenden Band. Hausbesuche muss ich ebenso fahren, wenn das nötig ist, und das ist oft der Fall. Beim Vorstellungsgespräch hieß es, es würden 45 Euro pro Stunde bezahlt. Das sind bei 12 Stunden 540 Euro. Doch erst im Laufe der ersten Monate zeigt sich die Realität: Knapp 400 Euro werden frühesten nach 6 bis 8 Wochen überwiesen. Den Rest gibt es dann als Nachzahlung erst nach 7 (!) Monaten. Warum? Das sei halt so. Es folgen Anfragen von gesetzlicher Krankenkasse und dem Ärzte-Versorgungswerk, der Rentenkasse für Ärzte. Die Krankenkasse möchte meinen Durchschnittsgewinn der nächsten 12 Monate wissen und berechnet mindestens 17,1% davon als Beitrag. Möchte ich ab der 6. Krankheitswoche abgesichert sein, möchte sie 17,7%. Will ich einen besseren Schutz wird es entsprechend teurer. Das Ärzte-Versorgungswerk möchte gleich 19,9% meines Gewinnes. Zusätzlich versteuert der Staat meinen kalkulierten Gewinn mit 33,5%. Das macht summa summarum 70,1% Abzüge. Von meinen 400 Euro, die ich nach frühestens 6 Wochen überwiesen bekomme, muss ich also mindestens 280,40 Euro abgeben, und es bleiben noch 119,60 für mich übrig. Das sind für einen 12-Stunden-Notdienst etwa 9,97 Euro pro Stunde netto. Da frage ich mich: Ist uns unsere ärztliche Versorgung nur so viel wert? Es wundert mich nicht, dass überall händeringend Ärzte für die Bereitschaftsdienstzentralen gesucht werden.

Der nächste Schritt sind Bereitschaftsdienste in Rehakliniken, die unterschiedlich gut von 17 bis 33 Euro pro Stunde bezahlen. Doch kann ich hier einmal im Monat eine Rechnung stellen, die zügig bezahlt wird. Auch sind die Dienste relativ ruhig. Zwar bewache ich hier oft über 200 Patienten, aber gibt es längere Ruhephasen, in denen ich Arbeit erledigen oder mich ausruhen kann. Bei Diensten zwischen 16 und 25 Stunden lohnen sich solche Dienste eingestreut schon.

Lukrativer sind Einsätze in Kliniken als Stationsarzt. Hier wird für Fachärzte wie mich bis zu 85 Euro pro Stunde bezahlt. Doch bleiben mir hier wegen der enormen Abzüge auch nur 26 Euro übrig. Das Manko ist, dass ich oft heimatfern für Wochen bis Monate in einem Wohnheim untergebracht bin und maximal am Wochenende, falls es überhaupt frei ist, nach Hause zur Familie zurückkehren kann.

Für Praxisvertretungen bekomme ich etwa 400 Euro pro Tag, das sind netto etwa 120 Euro. Auch hier bin ich nur selten in Pendelnähe um meinen Wohnort und nur am Wochenende zu Hause.

Insgesamt genieße ich es mein eigener Chef zu sein, andererseits empfinde ich die massiven Abzüge von mindestens 70% als ungerecht und demotivierend. Nach langen Jahren des Medizinstudiums, der Promotion und Spezialisierungsphase zum Facharzt wünsche ich mir eine Wertschätzung meiner Arbeit. Hier würde eine Entlastung durch Senkung der Sozialabgaben und Förderung der Freiberuflichkeit enorm helfen. Dann könnte ich mir auch mehr Freiräume schaffen, um mich von der stressigen Arbeit zu regenerieren, mehr Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen und mit meiner Familie die Zeit der Trennung durch gemeinsame Freizeit auszugleichen. Dann ließen sich die Entbehrungen leichter ertragen und die Arbeit würde noch mehr Freude machen. Momentan wehre ich nur mit Mühe den Gedanken ab, dass ein Arbeiten als Arzt egal ob in Praxis, Krankenhaus, Rehaklinik in Anstellung oder als Freiberufler kein Glück verspricht. Dann verstehe ich die vielen Kollegen, die Deutschland verlassen und in anderen europäischen Ländern ihr Glück versuchen.


Autor: Dr. Großes Rad





Kommentare zu dieser News:

Datum: Do 10 Mai 2012 13:42
Von: mamsibamsi


Ich mußte weinen, als ich diesen Bericht gelesen habe. Ich bin niedergelassen, arbeite aber im \"Urlaub\" als Honorarärztin, schlage mich seit der Niederlassung 2004 mit angeblichen \"Überzahlungsrückführungen\" für Q2/2005 (EBM-Umstellung, Punktwertverlust, Umstellung von Haus- auf Facharzt), mit Regressandrohungen und tägliche Angst, dass die KV die Staatsanwaltschaft auf den Plan holt, weil ich angeblich das Zeitbudget überschreite (ich halte mich eisern an die kalkulatorische Zeit und lasse auch viele Ziffern erbrachter Leistungen, unabgerechnet). Ich bin bereits mit einem Fuß auch in der Schweiz, fühle mich zurzeit jedoch gesundheitlich (physisch und psychisch) noch nicht in der Lage ganz aufzubrechen. Meine Tochter will Medizin studieren und ich weiß nicht ob ich ihr zu- oder eher abraten soll!!

Datum: Do 10 Mai 2012 23:09
Von: Nico


Herzlich Willkommen!

Na, dann hoffe ich doch, dass Sie sich bald bei uns als Mitglied anmelden werden! :-))

N. Schäfer - Bundesverband der Honorarärzte e.V.

Datum: Do 10 Jan 2013 02:37
Von: ddessler


70% abzüge sind unrealistisch: sowohl die Krankenkassenbeiträge als auch die Beiträge für das Versorgungswerk sind gedeckelt, d.h. das jenseits einer bestimmten Höhe der Einkünfte die Beiträge nicht mehr steigen. Dies führt dazu, dass der Krankenkassenbeitrag inklusive Pflegeversicherung z.B. bei der Techniker Krankenkasse bei maximal rund 670 Euro monatlich und der Beitrag für die Ärzteversorgung am Beispiel der Ärzteversorgung Niedersachsen bei 14% der Einkünfte jedoch bei maximal 1608,10 Euro monatlich liegt. Als Honorararzt überschreitet man im Regelfall die Beitragsbemessungsgrenzen deutlich. Liegt man darunter, ist die Steuerbelastung geringer. Alles in allem dürften für Steuer, Versorgungswerk und Krankenkassenbeitrag/Pflegeversicherung ca. 50% des Gewinns anfallen.